Bundestag beschließt neuen Reisesicherungsfonds für Pauschalreisen

Der Bundestag hat in der Nacht vom 10. auf den 11. Juni in zweiter und dritter Lesung den neuen Reisesicherungsfonds auf den Weg gebracht. Das Reisesicherungsfondsgesetz wird zum 1. Juli in Kraft treten, der Reisesicherungsfonds am 1. November 2021 seine Arbeit aufnehmen.
Zum Hintergrund:
Künftig wird es bei der Insolvenzsicherung von Pauschalreisen einen Systemwechsel geben. Grund dafür war u.a. die Insolvenz von Thomas Cook im Jahr 2019 und die aufgrund ungenügender Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie damit einhergehende Staatshaftung der Bundesrepublik, die künftig um jeden Preis vermieden werden soll. Die Absicherung soll künftig im Wesentlichen über einen Reisesicherungsfonds erfolgen, der in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung - ggf. als gemeinnützige GmbH zwecks Steuerbefreiung, damit sich der Aufbau des Fondsvolumens nicht verzögert - organisiert ist und durch die Einzahlungen der Reiseveranstalter ein Fondsvermögen in Höhe von 750 Mio. Euro aufbauen soll.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde vom Bundestag noch in einigen wesentlichen Punkten abgeändert und letztlich in der Fassung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz mit breiter Mehrheit der Stimmen von CDU/CSU, SPD, AfD, Linken und Grünen bei Stimmenthaltung der FDP-Fraktion angenommen. Er enthält einige überraschende Last-Minute-Änderungen.
Zu den Regelungen im Einzelnen:
- Veranstalter müssen demnächst Entgelte an den Fonds bezahlen in Höhe von 1 Prozent ihres jährlichen Pauschalreiseumsatzes.
- Wichtig: Hierbei ist nur der jährliche Umsatz in Ansatz zu bringen, der mit Pauschalreisen erzielt wird, soweit sie vor Beendigung der Reise vom Reisenden zu bezahlen sind oder die Rückbeförderung des Reisenden umfassen. Diese für die konkrete Fallgestaltung in der Hotellerie wichtige, ausdrückliche Feststellung im Gesetz selbst entspricht einer Forderung des Hotelverbandes.
- Veranstalter mit weniger als 3 Millionen Euro Pauschalreiseumsatz pro Jahr können sich wie bisher über Versicherer oder per Bankbürgschaft absichern („Opt-out-Klausel“). Allerdings beträgt die Haftungssumme unabhängig vom Umsatz nun neu zwingend 1 Million Euro pro Veranstalter.
- Neu ist auch, dass Veranstalter mit weniger als drei Millionen Euro Umsatz sich nur dann außerhalb des Fonds versichern/absichern dürfen sollen, wenn sie einen „Ablösebetrag“ an den Fonds zahlen. Die Höhe des Ablösebetrags soll auf „versicherungsmathematischer“ Basis pauschal festgelegt und jährlich angepasst werden. Diese Regelung unterliegt noch einem rechtlichen Prüfungsvorbehalt durch die Bundesregierung.
- Die Auswirkungen dieser überraschenden Neuregelungen "über Nacht" lassen sich derzeit noch nicht abschätzen. Es bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen sich hieraus auf die Anzahl der im Markt operierenden Versicherer und ihre Konditionen ergeben werden.
- Auch Veranstalter mit einem Pauschalreiseumsatz von 3 Millionen Euro bis 10 Millionen Euro haben wie vom Hotelverband gefordert noch eine Opt-out-Option erhalten. Sie sind somit nicht verpflichtet, sich über den Reisesicherungsfonds abzusichern, und können sich für eine individuelle Versicherungslösung oder Bankbürgschaft entscheiden. In diesem Fall gilt aber keine Haftungsbegrenzung, was ebenfalls über die Ausschussfassung neu in das Gesetz aufgenommen wurde und die Versicherungsmöglichkeiten faktisch erheblich beschneiden dürfte.
- Kleine und mittlere Unternehmen können umgekehrt aber auch die Entscheidung treffen, sich über den Reisesicherungsfonds abzusichern, sofern dies aus wirtschaftlichen Erwägungen oder sonstigen Gründen für sie vorzugswürdig ist oder eben entsprechende Versicherungslösungen in Zukunft nicht (mehr) zur Verfügung stehen sollten. Diese Opt-in-Lösung ist eine wichtige Verbesserung des Gesetzentwurfs, für die sich der Hotelverband eingesetzt hat.
- Die Sicherheitsleistungen, die Veranstalter beim Fonds hinterlegen müssen, betragen 5 Prozent des Pauschalreiseumsatzes. Im Gesetzentwurf waren noch 7 Prozent des Umsatzes vorgesehen. Der Hotelverband hatte sich dafür stark gemacht, dass die Entgelte im Sinne der Unternehmen verringert werden, um Belastungen gerade in Krisenzeiten zu minimieren. Der Satz kann vom Fonds frühestens zum 1. November 2022 angehoben werden, seine Höhe wird bei sieben Prozent gedeckelt.
- Zum 1. November 2021 wird es einen Haftungsschnitt geben: Risiken aus zuvor gebuchten, aber noch nicht abgeschlossenen Reisen sollen auf den Fonds übergehen können.
- Die Aufbauphase des Fonds wird aufgrund der Corona-Krise um zehn Monate bis zum 31. Oktober 2027 verlängert; vorgesehen war zunächst der 31. Dezember 2026.
- Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) wird ermächtigt, die Bedingungen für die staatliche Absicherung an die tatsächliche Entwicklung der Umsätze der Reiseanbieter, des Fondsvermögens sowie des Marktes für Sicherheiten anzupassen. Eine Erhöhung der Sicherheitsleistung vor dem 1. November 2022 oder auf mehr als 7 Prozent des Umsatzes des Reiseveranstalters ist ausgeschlossen.
Das BMJV hat aufgrund der Eilbedürftigkeit bereits einen Referentenentwurf einer Reisesicherungsfondsverordnung (Ref-E RSFV) den zu beteiligenden Verbänden vorgelegt. Mit einer zeitnahen Verabschiedung durch das Kabinett ist nun als nächstem Schritt zu rechnen.
Parallel hierzu werden von den am Betrieb des/eines Reisesicherungsfonds interessierten Kreisen die Vorbereitungen für eine Zulassung durch das Bundesamt für Justiz vorangetrieben. Derzeit zeichnen sich drei Konsortien ab, die den Reisesicherungsfonds in der Rechtsform einer GmbH betreiben wollen:
- Eine Allianz aus Deutscher ReiseVerband (DRV), Verband Internet Reisevertrieb (VIR), Allianz selbständiger Reiseunternehmen (ASR) und RDA Internationaler Bustouristikverband,
- der Verband unabhängiger selbstständiger Reisebüros (VUSR) und/oder
- der Schadensabwickler KAERA.