Ampel-Koalitionsvertrag enthält wenig Konkretes zu Hotellerie-Themen

SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP haben sich nach bemerkenswert schnellen und geräuscharmen Verhandlungen auf einen Koalitionsvertrag geeinigt und die 178 Seiten umfassenden Absprachen heute Nachmittag der Öffentlichkeit vorgestellt.
Bevor wir nach erster kursorischer Durchsicht einzelne Inhalte des Koalitionsvertrages aufgreifen, eine Bemerkung zu einem überraschenderweise in der Vereinbarung ausgeklammerten Aspekt: Zum reduzierten Mehrwertsteuersatz im Gastgewerbe findet sich keine konkrete Zeile und somit auch nicht zur Entfristung der Anwendung des reduzierten Satzes auf Speisen in der Gastronomie über den 31. Dezember 2022 hinaus.
Im Koalitionsvertrag 2021-2025 ist Folgendes mit Auswirkung auf die Hotellerie zwischen den Parteien verabredet:
Hotelmeldepflicht
Die Ampelkoalition will die analoge Meldepflicht bei touristischen Übernachtungen, wo möglich, im Bundesmeldegesetz abschaffen. Der Umgang mit Meldescheinen soll künftig komplett digital erfolgen.
Tourismuspolitik
Die Ampelkoalition nimmt den Prozess zur nationalen Tourismusstrategie wieder auf und will die Koordinierung der Tourismuspolitik verbessern, um den Tourismusstandort Deutschland nach der Corona-Krise nachhaltig, klimafreundlich, sozial gerecht und innovativ zu gestalten. Mit einem Modernisierungsprogramm „Zukunft Tourismus“ sollen Neu- und Wiedergründungen unterstützt werden. Nationale Naturlandschaften, UNESCO-Welterbestätten und UNESCO Global Geoparks seien wichtige Bestandteile des deutschen Tourismus. Für einen nachhaltigen, naturverträglichen Tourismus will die Koalition einen verstärkten Ausbau der passenden Infrastruktur, besonders bei Wander-, Rad- und Wassertourismus unterstützen.
Für einen langfristigen Dialog zu den Zukunftsthemen der Branche, Klimaneutralität, Digitalisierung, Fachkräfte, etabliert sie eine „Nationale Plattform Zukunft des Tourismus“. Die Gewinnung ausländischer Fachkräfte für die deutsche Tourismusbranche soll durch den Abbau bürokratischer Hürden erleichtert werden.
Digitale Wirtschaft
Die neue Bundesregierung will ein Level Playing Field im Wettbewerb unterstützen und sich für ambitionierte Regelungen des Digital Markets Act (DMA) einsetzen, die nicht hinter bestehende nationale Regeln zurückfallen dürfen. Dazu gehörten auch europäisch einheitliche Interoperabilitätsverpflichtungen und Regelungen zur Fusionskontrolle. Das Bundeskartellamt soll im Umgang mit Plattformen gestärkt werden.
Fachkräfte
Das Einwanderungsrecht soll weiterentwickelt und bewährte Ansätze des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes wie die Westbalkanregelung entfristet werden. Neben dem bestehenden Einwanderungsrecht soll mit der Einführung einer Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems eine zweite Säule etablieren, um Arbeitskräften zur Jobsuche den gesteuerten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Die Blue Card soll im nationalen Recht auf nicht-akademische Berufe ausgeweitet werden; Voraussetzung werde ein konkretes Jobangebot zu marktüblichen Konditionen sein. Zugleich sollen die Hürden bei der Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen aus dem Ausland abgesenkt, Bürokratie abgebaut und Verfahren beschleunigt werden.
Verbraucherschutz
Die Ampelkoalition wird sich dafür einsetzen, dass Flugreisen in die Pauschalreise-Richtlinie bezüglich der Insolvenzabsicherung einbezogen werden. Entschädigungs- oder Ausgleichszahlungen sollen bei allen Verkehrsträgern automatisiert werden. „No-show“-Klauseln sollen im AGB-Recht untersagt werden.
Bürokratieabbau
Die zukünftigen Koalitionäre werden prüfen, inwiefern der Aufwand für und durch die rein elektronische Aufbewahrung von Belegen und Geschäftsunterlagen verringert werden kann. Unnötige Erfordernisse bei A1-Bescheinigungen bei grenzüberschreitender Dienstleistungserbringung sollen rasch abgeschafft werden, indem ein europäisches elektronisches Echtzeitregister eingeführt werde.
Arbeitszeit und Arbeitsort
Um auf die Veränderungen in der Arbeitswelt zu reagieren und die Wünsche von Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmern und Unternehmen nach einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung aufzugreifen, wollen die Ampelkoalitionäre Gewerkschaften und Arbeitgeber dabei unterstützen, flexible Arbeitszeitmodelle zu ermöglichen. Am Grundsatz des 8-Stunden-Tages im Arbeitszeitgesetz soll festgehalten werden.
Im Rahmen einer im Jahre 2022 zu treffenden, befristeten Regelung mit Evaluationsklausel will die Koalition ermöglichen, dass im Rahmen von Tarifverträgen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen und in einzuhaltenden Fristen ihre Arbeitszeit flexibler gestalten können.
Außerdem soll eine begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit geschaffen werden, wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, auf Grund von Tarifverträgen, dies vorsehen (Experimentierräume).
Im Dialog mit den Sozialpartnern soll geprüft werden, welcher Anpassungsbedarf angesichts der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Arbeitszeitrecht besteht. Dabei sollen flexible Arbeitszeitmodelle (z. B. Vertrauensarbeitszeit) weiterhin möglich sein.
Mindestlohn
Der gesetzliche Mindestlohn soll in einer einmaligen Anpassung auf zwölf Euro pro Stunde erhöht werden. Im Anschluss soll wieder die unabhängige Mindestlohnkommission über etwaige weitere Erhöhungsschritte befinden.
Ressortverteilung
Die SPD stellt den Bundeskanzler. Bündnis 90 / Die Grünen stellen die Stellvertreterin oder den Stellvertreter des Bundeskanzlers.
Die SPD stellt die Leitung folgender Ministerien:
- Innen und Heimat
- Arbeit und Soziales
- Verteidigung
- Gesundheit
- Bauen
- Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Bündnis 90 / Die Grünen stellen die Leitung folgender Ministerien:
- Auswärtiges Amt
- Wirtschaft und Klimaschutz
- Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
- Ernährung und Landwirtschaft
Das Vorschlagsrecht für die Europäische Kommissarin oder den Europäischen Kommissar liegt bei Bündnis 90 / Die Grünen, sofern die Kommissionspräsidentin nicht aus Deutschland stammt.
Die FDP stellt die Leitung folgender Ministerien (und hat auch bereits die designierten Amtsinhaber benannt):
- Finanzen (Christian Lindner)
- Justiz (Marco Buschmann)
- Verkehr und Digitales (Volker Wissing)
- Bildung und Forschung (Bettina Stark-Watzinger)