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EU-Kommission verabschiedet neue Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung und Vertikal-Leitlinien
Nach einer umfassenden Überarbeitung der Vorschriften von 2010 hat die Europäische Kommission am 10. Mai 2022 die neue Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen („Vertikal-GVO“) angenommen, die durch ebenfalls neue Vertikal-Leitlinien ergänzt wird.
Die Vertikal-GVO benennt bestimmte Voraussetzungen, unter denen für vertikale Vereinbarungen eine Ausnahme vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV gilt. Art. 101 Abs. 1 AEUV verbietet wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen Unternehmen. Diese wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen können jedoch vom Kartellverbot freigestellt sein. Auch die Paritätsklauseln (MFN) der Hotelbuchungsportale fallen in den Regelungsbereich der Vertikal-GVO.
Die neue Vertikale -Gruppenfreistellungsverordnung sieht vor, dass weite MFNs nicht unter die Gruppenfreistellung fallen, sondern in die Liste der nicht freigestellten Beschränkungen aufgenommen werden (Art. 5(d) GVO).
Enge MFNs sollen dagegen auch nach der neuen Vertikal-GVO freigestellt werden, wenn die Marktanteilsschwellen von 30% nicht überschritten werden. Die neue Vertikal-GVO und die neuen vertikalen Leitlinien enthalten jedoch eine Warnung in Bezug auf die Verwendung enger Paritätsverpflichtungen in konzentrierten Plattformmärkten. Wenn solche Verpflichtungen von Plattformen genutzt werden, die einen erheblichen Anteil der Nutzer abdecken (kumulativer Effekt) und keine Effizienznachweise vorliegen, kann der Vorteil der Gruppenfreistellung entzogen werden.
Die beiden überarbeiteten Regelwerke treten am 1. Juni 2022 in Kraft.
Der Hotelverband Deutschland (IHA) begrüßt, dass die neu Vertikale-Gruppenfreistellungsverordnung sogenannte weite Meistbegünstigungsklauseln von Online-Vermittlungsdienste nunmehr ausdrücklich aus dem sachlichen Anwendungsbereich der vertikalen Gruppenfreistellung ausgenommen und in die Liste der nicht freigestellten Beschränkungen aufgenommen hat.
Die Aufnahme der weiten Meistbegünstigungsklauseln in die Liste der nicht freigestellten Beschränkungen reicht allerdings nicht aus, um das Ungleichgewicht und die Wettbewerbsbeschränkungen zwischen hochgradig konzentrierten Online-Vermittlungsdiensten auf der einen und den stark fragmentierten Marktteilnehmern im Beherbergungsbereich auf der anderen Seite, die vom Zugang zu diesen Online-Vermittlungsdiensten abhängig sind, zu verringern.
Aus Sicht des Hotelverbandes wäre es notwendig gewesen, dass auch für die engen MFN-Klauseln, in Übereinstimmung mit den in mehreren Mitgliedstaaten festgelegten gesetzlichen Verboten (Frankreich, Italien, Österreich, Belgien und Portugal) und höchstrichterlichen Entscheidungen (BGH-Entscheidung in Sachen Booking.com in Deutschland), die Gruppenfreistellung entzogen wird.
Es gibt keine tatsächliche oder rechtliche Rechtfertigung, enge MFN-Klauseln anders zu behandeln als weite MFN-Klauseln. Vielmehr sind die wettbewerblichen Wirkungen beider Klauseln nahezu identisch. Insbesondere bezwecken und bewirken auch die engen MFN-Klauseln eine Eliminierung des Preis- und Konditionenwettbewerbs zwischen konkurrierenden Online-Vermittlungsdiensten sowie den intra-brand Wettbewerb zwischen verschiedenen Vertriebswegen. Umgekehrt erfüllen enge MFN-Klauseln die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV in der Regel nicht. Die detaillierte Stellungnahme des Hotelverbands hierzu kann hier heruntergeladen werden.
Wir werden nun die EU-Kommission und das Bundeskartellamt auffordern, einen Entzug der Gruppenfreistellung für enge Paritätsklauseln bei Online-Hotelbuchungsportalen zu prüfen.