NetzDG ist teilweise europarechtswidrig

Das Verwaltungsgericht Köln hat am 1. März 2022 im Rahmen zweier Eilverfahren entschieden, dass zentrale Vorschriften des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) wegen eines Verstoßes gegen europarechtliche Vorschriften nicht anwendbar sind. Damit wurde einer Klage der IT-Konzerne Google und Meta teilweise stattgegeben. Demnach verstößt das NetzDG unter anderem gegen das sogenannte Herkunftslandprinzip der Europäischen Union (Az.: 6 L 1277/21 (Google I), 6 L 1354/21 (Meta)).
Hintergrund der Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland ist ein neuer Passus im NetzDG, der eine Weitergabe für Nutzerdaten wie IP-Adressen oder Portnummern an das Bundeskriminalamt (BKA) vorsieht, wenn rechtswidrige Beiträge entfernt oder gesperrt wurden. Diese Pflicht ist zum 1. Februar 2022 in Kraft getreten.
In einer Bundestagsanhörung im Mai 2020 hatten mehrere Experten diese Pläne kritisiert. Selbst wenn Behörden zu dem Schluss kämen, dass ein Inhalt doch nicht strafbar sei, würden sie sofort über die Daten verfügen. Die Google-Tochter Youtube hatte diese Pläne ebenfalls kritisiert. Um die Vorgaben nicht erfüllen zu müssen, berief sich das Unternehmen in seiner Klage auf das Herkunftslandprinzip. Das bedeutet, dass europaweit tätige Firmen laut E-Commerce-Richtlinie eigentlich nur solche Gesetze einhalten müssen, die an ihrem europäischen Hauptsitz, beispielsweise in Irland, gültig sind.
Dieser Auffassung schloss sich nun auch das Verwaltungsgericht Köln an. Der Gesetzgeber habe bei der Einführung von Paragraf 3a des NetzDG gegen das Herkunftslandprinzip verstoßen. Die Bundesregierung könne sich nicht auf Ausnahmen von diesem Prinzip berufen, da der Gesetzgeber weder das für Ausnahmen vorgesehene Konsultations- und Informationsverfahren durchgeführt habe, noch die Voraussetzungen eines Dringlichkeitsverfahrens vorgelegen hätten.
Ebenfalls gegen Europarecht verstößt dem Gericht zufolge der Paragraf 4a des NetzDG, der das Bundesamt für Justiz als Aufsichtsbehörde bestimmt. Denn dies stelle einen Verstoß gegen die EU-Richtlinie für audio-visuelle Mediendienste dar. Diese statuiere den Grundsatz der rechtlichen und funktionellen Unabhängigkeit der zur Kontrolle zuständigen Medienbehörden. Da das als Bundesoberbehörde eingerichtete Bundesamt für Justiz mit Sitz in Bonn dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz unterstehe und von diesem Weisungen entgegennehme, könne von der von der Richtlinie geforderten Staatsferne beim Bundesamt für Justiz keine Rede sein.
Dem Gericht zufolge haben der Kurznachrichtendienst Twitter und die Videoplattform Tiktok ebenfalls gegen das NetzDG geklagt. Wann in diesen beiden Fällen ein Urteil gesprochen wird, ist noch offen. Die nun getroffenen Entscheidungen gelten nur für Google und Meta. Gegen die Beschlüsse können die Beteiligten jeweils Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster entscheiden würde.