Corona-Krise

20.01.2021
Hotelführer

Blogpost "Bye-Bye-Hilfen" von Otto Lindner und Markus Luthe vom 15. Januar 2021

„Schnell, großzügig und unbürokratisch werden wir allen helfen!“ An diesem am 28. Oktober selbst formulierten Anspruch müssen sich die Bundesminister Altmaier und Scholz messen lassen.

Die vollmundig versprochenen Novemberhilfen sind auch Mitte Januar noch nicht bei den Betrieben angekommen und das Kleingedruckte der Förderrichtlinie ist klammheimlich nachjustiert und mittlerweile so kompliziert geworden, dass auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nicht mehr durchblicken. Ende der elften Woche des neuerlichen Lockdowns ist die Verzweiflung und Wut in der Branche allenthalben zu greifen. Die Nerven liegen zunehmend blank und der Vertrauensschaden in staatliches Handeln ist massiv.

Hinzu kommen nun neben eher halsstarrigen Rechtfertigungsversuchen auch noch peinlich-schrille Zwischentöne des parteipolitischen „Schwarzen-Peter-Spielens“ im aufziehenden Wahlkampfmodus, die den Schaden nur vergrößern. Das hat die Branche, das hat Deutschland nicht verdient.

Tritt man einen Schritt von den tagesaktuellen Aufregungen zurück, wird man feststellen, dass der Ursprung des jetzt akuten Rettungsdilemmas gleich zu Beginn des ersten Lockdowns im März 2020 zu verankern ist. Anstatt wie von uns vehement gefordert, national eine saubere Entschädigungsregelungen für die betroffenen Branchen aufzusetzen, ist die Bundesregierung mit ihrer Bazooka-Politik sehenden Auges falsch in Richtung Wirtschaftsförderung abgebogen.

Sonst wäre übrigens auch das Bundesfinanzministerium und nicht das Bundeswirtschaftsministerium zuständig, es gälten keine willkürlichen Deckeleien, es könnten die etablierten Strukturen der Finanzämter greifen und es müsste für die Beantragung und Auszahlung von Hilfsgeldern nicht eine neue Software mit heißer Nadel zur Koordinierung von Bund und Ländern programmiert werden.

Alles Konjunktiv mittlerweile. Stattdessen hat sich die Bundesregierung seit März auf das hochkomplexe Terrain des Beihilferechts begeben, wo dann auch Brüssel ein ganz entscheidendes Wort mitzureden hat, damit keine Wettbewerbsverzerrungen im gemeinsamen Binnenmarkt entstehen. Nebenbei bemerkt: Was für ein abwegiger Gedanke in Pandemie-Zeiten!

Nur eine der vielen ebenso negativen wie negierten Konsequenzen hieraus ist, dass durch und durch mittelständische, familiengeführte Hotelgesellschaften als „verbundene Unternehmen“ bis heute fast komplett durch das Rettungs-Raster der Bundesregierung gerauscht sind. Und dem Lockruf, sich als vermeintlich „kritische Infrastruktur“ unter das Schutzdach des Wirtschaftsstabilisierungsfonds zu flüchten, haben diese Unternehmen aus ihrem Selbstverständnis heraus widerstanden, denn wer will das Schicksal seines Familienunternehmens schon durch eine stille Beteiligung von staatlichen Händen gestalten lassen?

Für uns liegen Analogien zu Helmut Schmidt und seinem verfassungswidrigen Einsatz der Bundeswehr in der Hamburger Sturmflut von 1962 nahe: An den Taten zeigt sich, wer Krise (und Kanzler!) kann – nicht am Rückgriff auf peinliche Waffen-Rhetorik.

Jammern, Schimpfen und Rechthaberei helfen in der verfahrenen Situation aber nicht weiter. Was ist auf dem Gebiet der Wirtschaftshilfe jetzt ganz konkret zu tun, damit nicht noch mehr Existenzen und Jobs ebenso unverdient wie unnötig untergehen?
 

1. Verlustrücktrag

Die Möglichkeit zum steuerlichen Verlustrücktrag sollte auf mindestens drei Jahre ausgedehnt und das Rücktragsvolumen auf mindestens 20 Mio. Euro ausgedehnt werden. Keine andere Hilfsmaßnahme wirkt schneller, zielgenauer und leistungsgerechter.

2. EU-Beihilfegrenzen

Angesichts der Pandemie-Dauer muss die Grenze der Kleinbeihilfen unverzüglich von 800.000 Euro auf mindestens 5 Mio. Euro und die der Fixkostenhilfe („Temporary Framework“) von 3 Mio. Euro auf mindestens 10 Mio. Euro angehoben werden. Anders kann die Komplexität der Hilfsprogramme nicht mehr gehandelt werden.

3. KfW-Darlehen

Wie hat es nur einreißen können, dass zurückzuzahlende KfW-Kredite mit mehr als sechs Jahren Laufzeit beihilferechtlich mit dem vollen Nennbetrag verlorenen Zuschüssen gleichgestellt werden? Das widerspricht jedweder ökonomischen Vernunft. Zur Schadenbegrenzung sollten jetzt schnell neue KfW-Programme zur Ablösung bereits vergebener KfW-Kredite aufgelegt werden und/oder bestehende Rückzahlungsfristen per Änderungsnotifizierung modifiziert werden.

4. Novemberhilfe plus

Die „Novemberhilfe plus“ für Beträge bis zu 4 Mio. Euro wurde bereits am 20. November von der EU-Kommission genehmigt. Dennoch liegen Detailregelungen zur Ausgestaltung bisher noch nicht vor. Die Antragsstellung muss unbedingt noch im Januar ermöglicht werden.

5. Novemberhilfe extra

Die Verhandlungen der Bundesregierung mit der EU-Kommission zur Notifizierung des Antrags nach Art. 107 Abs. 2b) AEUV müssen zeitnah vorangetrieben und vor Monatsende zu einem positiven Abschluss gebracht werden. Wie politisch zugesichert, müssen alle Unternehmen, auch die größeren mit Hilfsansprüchen von mehr als 4 Mio. Euro, ihre außerordentliche Wirtschaftshilfe nun umgehend erhalten. Auch diesen Unternehmen müssen relevante Abschlagszahlungen gewährt werden.

6. Verbundene Unternehmen

Eine Korrektur der beihilferechtlichen Regelungen zu „verbundenen Unternehmen“ ist überfällig. Andernfalls werden ausgerechnet die größeren Arbeitgeber und Ausbildungsbetriebe sachwidrig diskriminiert und der Wettbewerb massiv verzerrt. Konsequent und sachgerecht ist es folglich, auf den Betrieb im Sinne von Arbeitsstätte abzustellen.

7. Überbrückungshilfe III

Die sich abzeichnende Überbrückungshilfe III stellt nicht sicher, dass die Unternehmen eine vollständige Erstattung ihrer Fixkosten erhalten und ihnen ein angemessener Ausgleich für die finanziellen Ausfälle gewährt wird. Zwar sollen große Unternehmen bis 500 Mio. Euro Umsatz antragsberechtigt sein, die monatliche Hilfe wird aber bei 500.000 Euro gedeckelt. Das kann den betroffenen Unternehmen zum Überleben nicht reichen.

8. Insolvenzantragspflicht

Aufgrund der verspäteten Auszahlung der November- und Dezemberhilfen ist es zwingend geboten, die bislang nur bis zum 31. Januar 2021 erfolgte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zu verlängern. Die Frist sollte bis zum 30. April verlängert werden. Schließlich wurde gestern von der Bundesregierung auch die Antragsfrist für die November- und Dezemberhilfe auf Ende April gesetzt.
 

Nur so können wir noch verhindern, dass für die deutsche Hotellerie die „Beihilfen“ nicht zu „Bye-Bye-Hilfen“ werden!

 

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